... eine nicht-intellektuelle Freizeitbeschäftigung
von Heidi Trautmann*
Erst einmal muss ich erklären, was Garteln ist. In Bayern sind Hobbygärtner die “Gartler” und das, was sie mit Leidenschaft tun, ist Garteln.
Eines Tages sagte eine Freundin hier in Zypern zu mir, “mit Euch Gartlern ist einfach nichts anzufangen, fragt man Euch, ob man etwas zusammen unternimmt, habt Ihr nie Zeit, keine Zeit, ins Konzert zu gehen, keine Zeit, bei einem Glas Wein über ein gutes Buch zu reden, keine Zeit eine Ausstellung zu besuchen.
Die Gartler sind mit ihren Gedanken stets irgendwo anders. “Oh, ich muss den Garten sprengen, oder die Bäume beschneiden” und selbst in der Zeit, wenn wenig Arbeit im Garten ist, geht es in ihren Gesprächen ständig um Samen, um Mauern, die gezogen werden müssen, und wo man was bekommt. Es ist zum Verzweifeln, man kann mit ihnen nichts anfangen, wir anderen bleiben vor der Türe stehen.”
Ich saß diesem anklagenden Gesicht gegenüber und verzog das meine zu einem halben Grinsen und bog die Augenbrauen hoch zu einem hohen Bogen. Ich war erwischt, ich war eine solche Person, ebenso mein Mann, wir waren solche Gartler! Aber ich hörte mit gebührendem Ernst den Vorwurf dahinter, dass Freundschaften eben zweigleisig zu fahren haben. Freundschaften müssen ordentlich poliert werden, damit sie ihren Glanz behalten.
Nichtsdestotrotz gingen wir hinaus in den Garten, um unsere tägliche Inspektionsrunde zu machen, mit unseren drei Katzen Helene, Max und Moritz im Gefolge, und während wir so wanderten, dachte ich darüber nach, was uns zu diesen leidenschaftlichen Gartlern gemacht hat.
Wie gut kann ich mich erinnern, als wir das erste Mal auf unser Grundstück geführt wurden, ein Stück Land zwischen Meer und Himmel. Es war später Juni, es war heiß, das Gras auf dem Stück Land war hüfthoch und honigfarben, Bienen summten in einem kleinwüchsigen Weißdornbaum, einige Mandelbäume am Rande trugen schon grüne Früchte, die wir probierten, sogar samt Schale, eine Delikatesse, kann ich nur sagen, und inmitten des Grundstücks prunkte ein alter Olivenbaum mit einem halb ausgebrannten Stamm.
Unsere Insel, na ja Halbinsel, mit einer Schlucht darum herum, in der im ersten Jahr noch das Murmeln des Baches gut zu hören war. Wir wollten sehen, welchen Verlauf die Sonne nahm, so fuhren wir oft hinauf - damals lebten wir noch auf unserem Schiff im alten Hafen von Girne - per Fahrrad oder mit einem Mietwagen, die es damals in primitiver Form und billig noch gab.
Wir erfuhren den Wind des Meeres, der zwischen den Hügeln zu uns herauf kam, prüften den guten Boden, denn darauf wuchsen bislang etwas Gemüse und Hafer. Das Grundstück war, mit Ausnahme der wenigen Bäume brach und bedeckt mit Macchia.
Oh ja, wir hatten einen Brunnen, einen Partnerschaftsbrunnen. Nach Abschluss des Kaufvertrages hatten wir uns verpflichtet, diesen reinigen zu lassen. Die Facharbeiter holten aus 20 Meter Tiefe seltsame Dinge hervor, darunter ein vollständiges Skelett einer jungen Kuh. Das veranlasste uns, ein Dach darüber zu bauen, denn wir ahnten schon damals wie wichtig ein solcher Brunnen ist. So langsam nahmen wir Besitz von unserem Land und ließen natürlich eine Steinmauer ringsherum bauen, was Dir erst richtig das Gefühl des Besitzes gibt, eine Art Urinstinkt.
Wir lebten in der Zeit wie Settler aus dem Mittelalter, oder so fühlte ich mich, die Urbarmachung Deines Stückchen Landes, es war Knochenarbeit.
Wir lebten während des Tages so primitiv wie die Mauern-Bauer; Kurden aus der Türkei, stolze, hochgewachsene Männer, und wenn sie ihr Mahl über einem primitivem Erdofen kochten, waren wir manchmal eingeladen zu köstlichem Reis mit Gemüse, und wir lauschten ihren Gesängen, die mit dem Schwung des Hammers einhergingen.
Da, wo das Haus einmal stehen sollte, setzten wir uns des späten Nachmittags hin, genossen den Blick aufs Meer unter unserem Mandelbaum und machten Pläne und Skizzen.
Die schweren Winterstürme kamen, wir saßen auf unserem Schiff, unfähig in irgendeiner Form etwas zu unternehmen, als wir von unseren Nachbarn auf dem Hügel unterrichtet wurden, dass ein Großteil der Mauer ins Tal gestürzt war. In jenen Winternächten, wenn wir von unserem Grundstück müde doch glücklich herunterkamen auf unser Schiff, saßen wir noch lange und zeichneten und planten, wie seinerzeit, als wir das Schiff bauten. Was es da viel zu planen und überlegen gab?
Die Position des Hauses entsprechend unseren Beobachtungen zu Wind, Sonnenstand im Sommer aber auch im Winter. Ich werde nie vergessen, wie uns ein Freund hier erklärte, dass “die Position des Hauses in erster Linie nach den Winterbedingungen auszurichten ist” und er hat immer noch recht, denn der hiesige Winter dauert schlichtweg sechs Monate, d.h. Monate, in denen Du Dich auf die geschützte Sonnenseite, auf die Winterterrasse, setzt, und wehe es zieht da.
Wir lebten damals in einer Zwittersituation, denn wir bereiteten uns gleichzeitig vor auf unseren Segeltörn Richtung Westen nach Spanien, und, wir hatten immer noch nicht den Gedanken aufgegeben, den Atlantik zu überqueren. So mussten wir in diesen wenigen sechs Monaten, die wir hier auf Zypern hatten, den Grundaufbau des Gartens planen.
Und wir gruben die Fläche um und gruben und gruben, und planten. Hier sollte der Obstgarten sein, und sogleich pflanzten wir alle Bäume, die wir haben wollten, und wir wachten über sie solange wir da waren, doch als wir Ende April mit dem Schiff Richtung Westen starteten, mussten wir unseren jungen Garten den Händen von Freunden überlassen, doch wir sahen uns schon die zukünftigen Früchte ernten, wenn wir wiederkamen.
Als wir Girne Hafen verließen, nahmen wir die gerade fertig gestellten Baupläne unseres Architekten mit, alles war für die Baugenehmigung eingereicht, und wir konnten uns getrost auf unser Segelwandern einstellen. Unsere Gedankenwelt lief jedoch auf anderen Schienen.
Überall schlich sich im Hintergrund unser neues Domizil in unsere Segeltage und wenn wir in einer Bucht ankerten und an Land gingen, in einem Hafen einen Roller mieteten und über Land fuhren, wir hielten an, wenn wir etwas sahen, was wir für uns verwenden konnten. Sei es ein originell gedecktes Dach, ein schöner Holzzaun, die Verklinkung des Baus mit der umgebenden Natur, ein Felsen, der mitten aus der Terrasse wuchs, wir nahmen alles auf, machten Skizzen und Fotos, wir klopften sogar an Türen und sprachen mit den Menschen aus diesen Häusern und Gärten, schlossen spontane Freundschaften und versprachen wiederzukommen oder uns zu melden.
Es war unsere Routine, auf umgebende Hügel zu steigen, um den allumfassenden Blick zu bekommen. Dazu nahm ich in meinem Rucksack stets eine Fotokamera, einen Skizzenblock und auch oft unser Haarschneidegerät mit, denn wir opferten unser Haar nur unter besten Sichtbedingungen, einmal auch in einer römischen Arena, und wenn möglich, warf ich ein paar Blüten dem geschnittenen Haar hinterher, fliege Du, ein Teil von mir und erlebe gute Dinge.
So erwanderten wir uns eine Insel nach der anderen, viele Küstengebiete des Mittelmeers, erfuhren ihren besonderen Charakter, lernten die Menschen kennen und meistens auch lieben, horteten Erfahrungen über Pflanzen und sahen sie in voller Blüte und zu vollem Nutzen der Eigner, und wir sprachen mit diesen und lernten so auch ihre Legenden, die zu ihrer Natur gehörten. Und oft sagten wir ihnen und auch uns selbst, diese Pflanze, dieser Baum gefällt uns, berührt unser Herz, wir werden sie in unserem Garten in Zypern pflanzen.
Wenn wir durch ein altes Dorf kamen, oder sagen wir durch ein Dorf, wohin die moderne Zeit noch nicht hingelenkt hat, sahen wir auf einer Hausterrasse im Schatten eines Baumes, die Frauen, alte und junge, die keckernd mit einer Hausarbeit beschäftigt waren, auf Kilims sitzend und sie lachten in der Kühle des Schattens und winkten uns fröhlich zu.
Wir wanderten weiter auf manchen staubigen Landstraßen, entlang Zitrus-Plantagen und Weingärten und unsere Füße wurden bis zum Knie staubig und überall blühten wilde Blumen am Straßenrand und die Backen wurden heiß.
Währenddessen änderte der Himmel seine Farben, unablässig, und gerade dann, in diesem Augenblick wusste ich, dass es diese Atmosphäre ist, die wir für den Rest unseres Lebens in unserem eigenen neuen Garten haben wollten, diese Atmosphäre eines friedlichen Mittelmeergartens.
Doch hier machten wir noch nicht halt mit unseren Erfahrungen und Notizen, denn in den Monaten unserer darauffolgenden Campingreisen durch Mexiko haben wir unsere Liebe für die Kakteenwelt entdeckt, und heute gehen wir mit unseren drei Katzen des Abends in unserem hiesigen Klein-Mexiko spazieren.
Und auf den Mauern sitzen wir nun und bewundern ab und an die Blüten der Kakteen und wir reden über unsere Erlebnisse in Mexiko, die Fahrten durch den Kupfer-Canyon, wo wir auf 3000 m Höhe eine ganz neue Art der Vegetation antrafen und wo wir noch heute in voller Freiheit lebende Indianerstämme erlebten, die in Höhlen und von dem leben was sie anbauen, ohne alles, was die moderne Welt zu bieten hat, und sie sind schön, diese freien Menschen.
Und wir haben die Natur und ihre Früchte gesehen und erlebt und wir haben den Duft und das Gefühl dafür hierher in unseren Garten gebracht, die besonderen Erinnerungen daran. In unserem Garten sind viele Erinnerungen an Länder, die wir bereist haben.
Und ein jeder junge Morgen ist eine besondere Freude, ihn zu öffnen wie eine Türe zu einem Paradies mit unverdorbener süßer Luft, die herauf weht vom Meer, gesättigt mit den Gerüchen der Wildkräuter, dem Ginster im Frühjahr, der Orangenblüte, dem Yasmin, der nach Sünde duftet, während die Stehgeiger, die Zirpen ihr Konzert geben.
Siehst Du, meine liebe Freundin, wir Gartler sind oft weitgereiste und gutinformierte Wesen, die sich um Wurzel, Stamm und Krone aller Pflanzen wohl verdient gemacht haben. So ist die Planung und Verwirklichung eines Mediterranen Gartens doch eher eine Reise für sich, eine kulturelle Reise, es ist wie das Schreiben eines Buches, das Malen eines Bildes. Voll intellektuell oder nicht, vielleicht ...
Die Website der Künstlerin und Autorin Heidi Trautmann: www.heiditrautmann.com
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