Wir besuchten den berühmten Bildhauer Baki Bogac in seinem Studio in der ehemaligen Kapelle des alten Venezianischen Palastes. Diesen Teil hat er selbst nach alten Vorlagen wieder aufgebaut. Baki sieht Famagusta, seine Heimatstadt, mit den Augen eines Künstlers und Architekten und den liebenden Augen eines Zyprioten. Er kennt sich aus mit der Seele des Ortes."Wir müssen die alten Mauern wieder besiedeln bei Erhaltung der äusseren Gebäudeschale mit einem modernen Kern.
Die Altstadt muss auch nachts menschliche Bewohner haben, nicht nur müde Heimkehrer aus Bars und die Schatten der vielen Katzen und Hunde. Eine Stadt muss den Atem von lebenden Wesen spüren und nicht nur den Hauch von vorbeihuschenden Geistern. Lebendige Zellen, nicht ein Museum voller Jahrhunderte alter Ruinen."
So schlenderten wir am alten Venezianischen Palast entlang zur Lala Mustafa Pasha Moschee und sahen mit Baki's Augen Gebäude aus den Ruinen entstehen, in denen Menschen leben, Kinder spielen, Menschen, die so wie wir hier schlendern und sich mit anderen alten Geistern vergangener Zeiten mischen und eine Symbiose eingehen. Doch der im Wind tanzende Abfall zwischen den Ruinen holte uns wieder in die Gegenwart zurück und der emotionale der ewigen Fortdauer vieler Zeitebenen verebbte.
Es blieben zurück die Geister von Plastik und der Gestank nach Urin, der hinter den mächtig blühenden Oleanderbüschen aufstieg. Doch, da lag trotzallem eine morbide Schönheit über den Plätzen, ein gewisser Charme, der unsere Seelen einwickelte. Schönheit in die das Herz berührt, verstärkt durch das frühsommerliche Blühen überall; Zusammenklang mit den fast versteinerten alten Holzstürzen neben verwitterten Quadraten aus Sandstein. Wir erfuhren ein Gefühl von Endlichkeit und Flüchtigkeit des Daseins. "Geister aus alter Zeit, wie sah Eure Stadt, Euer Leben aus, was waren Eure Träume und Hoffnungen, Eure Enttäuschungen, geht Ihr nun neben uns und versucht uns etwas mitzuteilen?"
Hier ist das alte Hamam, heute zu einer Bar ausgebaut, da saßen noch vor einem halben Jahrhundert im Schatten des Baumes Männer auf kleinen Stühlen und tranken ihren Tee aus kleinen Gläsern, von einem arbeitsreichen Leben ausruhend. Verkäufer wanderten durch die Strassen und boten ihre Waren an, Wasserträger schöpften aus ihren verzierten Rückentanks Wasser in Messingschalen.
Diese alten Bäume, die ihre Äste über zerfallene Mauern hängen, haben dieses vielleicht alles gesehen, das tägliche Leben der alten Bewohner, mögen den Kummer und die Tränen in ihrem Schatten erlebt haben, die Liebesschwüre junger Leute zu ihren Füssen sitzend.
Wir setzten uns zu den Menschen auf eine der Bänke unter den weitreichendenden Armen jenes berühmten Baumes, einem alterslosen mächtigen Feigenbaum vor der Moschee, ehemals die St.Nicholas Kathedrale aus dem 15. Jahrhundert. In ihren Äste hängen Geschichten aller Zeiten wie Geschmeide, und wir hörten dem Raunen der Stimmen zu und waren eingehüllt in die Ernsthaftigkeit des Platzes.
Der gepflasterte Platz hallte wider vom Geschrei ballspielender Kinder, auf niedrigen Mauern oder Bänken saßen ihre Mütter, manche in lange Gewänder gehüllt und mit Tüchern auf den Köpfen. Eine Frau kauerte an einem Wasserhahn und wusch ihr Baby, das quantelte. Junge hübsche Frauen in Miniröcken und kurzen Stringtops kicherten entlang, zusammen mit anderen Menschen, die in einem geometrischen Muster wie an einem unsichtbaren Faden gezogen den Platz durchquerten.
Wir gingen weiter am Alten Bazaar entlang, leer und ungenutzt, die Stadt hat Pläne, einen weiteren Unterhaltungsplatz zu schaffen, anstatt Bauern und Händler dort ihre Waren verkaufen zu lassen. Hinter den Fassaden der alten Lagerhäuser liegen Geschäfte, Boutiquen, über Mittag mit den schönen alten Holztüren und Eisenstangen geschlossen, zum Schutz vor der Sonne.
Hier und entlang den Straßen am Hafen liegen diese langen Lagerhäuser, in denen in den alten Tagen Waren und Güter aus der gesamten Welt gelagert wurden, Seide aus China, Gewürze aus Indien, Leinen und Baumwolle aus England, auch irdene Gefäße mit köstlichen Dingen, Silber und so manche Luxusartikel, die vom regierenden Hof, den Kirchenleuten und von der reichen Bürgerschaft gekauft wurden.
Die Städte an der Küste waren einst sehr reich, man nannte Famagusta das Juwel der Levantine. Vom hohen Seetor aus, an dem der berühmte Steinlöwe stolz uns ins Gesicht blickt, und dem man nachsagt, dass man in seinem Maul das Versprechen findet, Reichtümer zu finden, wenn man an einem gewissen Tag die Hand hineinlegt; von dort oben auf der Mauer überblickten wir das Gesamtgefüge der Altstadt.
Wir drehten uns um und sahen in Gedanken die Osmanen im Jahre 1571 in ihren Schiffen die hohe Festung Famagusta belagern, auf der Innenseite der Mauern die Venezianer um ihre Stadt kämpfen, und dort der Othelloturm, wo der Moor und seine Desdemona ihre Liebestragödie durchlebten.
In einer dieser Hafenstrassen lockte uns das angepriesene Menü in den schattigen Garten. Unter dem Dach von Weintrauben verloren wir uns schweigend im Genuss der vielen zypriotischen Vorspeisen. Während wir unseren türkischen Kaffee tranken, beobachtete ich einen Arbeiter, der mit unaufhörlich gleichen Rhythmus alten Putz abschlug, um eine alte Steinmauer freizulegen. Wertschätzung der Vergangenheit.
Auf unserem Weg zurück zum Hotel folgten wir schmalen Gassen, die sich quer durch die alte Stadt winden, Gassen, in denen die Bougainvillea aus den Ritzen alten Gemäuers wuchert, antike Mauern, die mit Wohnhäusern verheiratet wurden. Unkraut bedeckt die Ruinen, Abfall den Raum dazwischen, Kakteen mit riesigen gelben Blüten füllen die Lücken und verwachsen so zu einem faszinierenden Kontrast mit dem Verfall der Umgebung, und Königspalmen schweben über den gekachelten Dächern vor einem lilafarbenen Abendhimmel.
Die Luft war süß und voller Gesang der Vögel, die die Ruinen bewohnen. Menschen begegneten uns mit ihren Einkaufstaschen, manche alte Männer saßen auf ihrem Balkon und warteten. Auf den Geschäftsstraßen ließen die Läden ihre Gitter herunter. Eine gewisse Müdigkeit schlich durch die Gassen.
An der Eingangstür zum Gassenhotel lasen wir die Ankündigung "Heute Abend Tango" und für eine lange Weile lag ich in meinem Bett wach und meine Arme und Beine zuckten im Takt zu der Tangomusik, die durch die offene Balkontüre hereinschlüpfte und dann rief der Muezzin und sagte uns, dass Allah groß ist.
Am nächsten Morgen schlich ich mich sehr früh alleine aus dem Hotel, um die alte Stadt im ersten Sonnenlicht zu begrüssen und dieses schaffte eine spezielle, klare Note, eine köstliche Frische.
Ein gut angezogener alter Herr kam aus einer Seitengasse und wir gingen nebeneinander her. Er sei von London und käme alle zwei Jahre heim. Für eine Weile redeten wir, hatten für ein paar Minuten etwas gemeinsam, die Freude an diesem Platz im Morgenlicht, und dann trennten wir uns, und wie er so dahinging mit dem Sonnenlicht um seinen gebückten Körper, in dem er sich auflöste, dachte ich mir, dass auch er bald zu den Schatten der Stadt gehören und damit in die alte Seele der Stadt eingehen wird.
Ouelle: NC tourism news
Die Website der Künstlerin und Autorin Heidi Trautmann: www.heiditrautmann.com
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