| ARCHIV-WEBSITE |
Textversion

Sie sind hier: 

>> cre-aktiv ReiseBilder  >> ReiseBerichte  >> Deutschland 

  |  

Inhaltsübersicht

  |  

Datenschutz

  |  

Impressum

  |  

Kontakt

  |

Erkundungen in der Mark

 

Eine Herbst- und Winterreise durch Brandenburger Landschaften
Autor: Ronald Keusch

„Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen“, schreibt Theodor Fontane in seinem Vorwort zur 1. Auflage seines fünfbändigen Werkes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Und an anderer Stelle schwärmt Fontane:“ Ich bin durch die Mark gezogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte.“

 

Mit zwei PS erreicht der Kremser den Wildpark Schorfheide

Fahrt im beheizten Kremser

Nur eine Autostunde Richtung Nordwesten von Berlin entfernt erstreckt sich die Schorfheide, das größte zusammen hängende Waldgebiet in Deutschland.
An ihrem westlichen Teil liegt die von Berlin Karow mit der Regionalbahn erreichbare Gemeinde Groß Schönebeck. Hier können die Besucher, wie die meisten von ihnen erhoffen, endlich, wie es im besten Tourismus-Deutsch heißt, die „Zeit entschleunigen“ und mit zwei Pferden, die vor einen Kremser gespannt sind, eine Entdeckungsfahrt beginnen. Torsten Anisimo, ein Pferdetrainer und passionierter Reiter aus der Schorfheide, hält die Zügel.

Im November ist der Wagen beheizt, die Plane schützt vor Nieselregen und ein kleines Schnaps-Fläschlein liegt bereit, um die Fahrgäste innerlich zu wärmen. Die zwei süddeutschen Kaltblüter, Max und Moritz, kennen den drei Kilometer weiten Weg. Er führt über eine asphaltierte Straße, biegt ein in den ausgedehnten Wald und führt zum ganzjährig geöffneten Wildpark Schorfheide.

 

Zurueck

Impressionen

Weiter

 

Fotos: Ronald Keusch, Bildunterschriften: Imke Heyter betreut zwei Wolfsrudel im Wildpark Schorfheide, Im Cafe Wildau haben die Hotelzimmer einen verschließbaren Waffenschrank, Blick aus dem Garten vom Cafe Wildau auf den Werbellinsee, Deutschlands schönster Wanderweg 2009 führt 20 Kilometer um Boizenburg herum, Die Klosterruinen in Boizenburg dienen als Theater- und Filmkulissen, Gastwirt Kristian Hohlfeld lockt Feinschmecker mit Omas Rezepten, Das Up-Hus ist das älteste erhaltene Fachwerkhaus in Neuruppin, Der märkische Landweg hat im Spätherbst seine Reize

 

Besuch beim Wolfsrudel

„Im Unterschied zu den Berliner Zoos haben wir ausschließlich europäische Tiere, die wir in naturnahen Großgehegen halten. Der Besucher kann das einheimische Wild in der Landschaft beobachten“, erzählt Imke Heyter, die seit 1996 mit ihrer Familie den Wildpark betreut. Gemeinsam mit ihren elf Angestellten und der Hilfe von Azubis und Praktikanten kümmert sie sich um insgesamt 250 Tiere. Da gibt es Rotwild und Elche, Mufflons und Wildschweine, Fischotter und Waschbär, die sich auf der riesigen Fläche von 105 Hektar (!) verteilen. Die allermeisten Besucher kommen, um sie zu sehen – die Wölfe.

Seit 1998 hat Imke Heyter ein einen Hektar großes Gehege eingerichtet, in dem derzeit zwei Wolfsrudel mit je acht und zehn Tieren leben. Mittlerweile hat sie insgesamt 30 Wölfe mit der Flasche groß gezogen und sich zur Expertin für Wölfe entwickelt. Großer Besucherandrang herrscht bei den seit knapp zwei Jahren veranstalteten „Vollmond-Wolfsnächten“ einmal im Monat am Freitag und Samstag. Die Besuchergruppen erleben die Fütterung der Wölfe, die vor Jahrhunderten in der Schorfheide lebten und gegenwärtig teilweise als Einzelgänger wieder zurückkehren.

Fachleute schätzen, dass heute etwa 50 Wölfe im Brandenburger Land unterwegs sind. Ein Fazit der Wolfs-Kennerin Heyter besteht darin, dass der Mensch keine Angst vor dem Wolf zuhaben brauche und das Wolfsgeheul zur Vollmondnacht nur ein Mythos sei. Die Wölfe heulen, um ihren Zusammenhalt im Rudel zu stärken, bevor sie ihre Jagd beginnen, so Heyter. Die sozialisierten Wölfe im Gehege heulen zumeist, wenn sie die Geräusche vom Auto mit dem Futter hören.

www.wildpark-schorfheide.de


Im Haus der Jagdgäste von Wilhelm II


Die Schorfheide ist ein Jagdrevier mit langer Tradition, die weiter gepflegt wird.
Im Sommer 2009 eröffnete die Familie von Hertzberg das Cafè Wildau. Das schöne Haus direkt am Ufer des Werbellinsee hat eine bewegte Geschichte. Anfang des 19. Jahrhunderts als Villa eines Zement-Fabrikanten gebaut, wurde sie von Kaiser Wilhelm II als Haus für seine Jagdgäste umgestaltet. Mit der Zeit des aufkommenden Tourismus wurde Cafè Wildau von Sonntagsausflüglern entdeckt, hatte noch zu DDR-Zeiten einen hervorragenden Ruf in der Bevölkerung, verfiel aber später und wurde schließlich abgerissen.

„Jetzt haben wir hier ein Restaurant mit einem gastronomischen Angebot für 120 Personen sowie zwölf elegante Appartements“, erläutert Caren von Hertzberg. Außerdem verfügen alle Zimmer über eigene Waffenschränke, in denen bis zu zwei Waffen sicher untergebracht werden können. Der große Bestand an Rotwild, Damwild und Wildschweinen ist nicht nur für Jäger eine Attraktion, sondern bei Führungen mit dem Förster ein Erlebnis für Groß und Klein.

Das neue Cafè Wildau besitzt ein Jagdzimmer mit einem Kamin, eine Sauna in einem Nebengebäude und ist ganz stolz auf seinen renommierten jungen Koch Martin Melzow, beheimatet im nahen Jochimsthal, der über das Steigenberger in Berlin und das Interconti in London hierher in seine Heimat zurückgekehrt ist. (Arrangement „Wintermärchen am Werbellinsee“ Zwei Übernachtungen, Vier-Gang-Menü, Massage und Kutschfahrt für 141 Euro p.P. )

www.cafe-wildau.de

 


Jagdrevier durch die Zeitenwende


Macht der Besucher hier zur Jagdsaison im Herbst bis zum Dezember Station, sind überall die Jäger zu finden, die an Treibjagden teilnehmen. Der Revier-Förster Hans-Otto Vöck begleitet eine Jagdgesellschaft, die im Hotel Döllnsee am großen Döllnsee untergebracht ist. Er gibt gern Auskunft und erzählt über die Schorfheide. Hier standen einst riesige Traubeneichenwälder, die nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert fast vollständig abgeholzt und als Reparation nach halb Europa abtransportiert wurden.

In den kümmerlichen Resten wurde eine Waldweide eingeführt, bei der Schweine und Schafe den nachwachsenden Wald abfraßen. Erst preußische Könige ließen ihre Hofwälder mit schnell wachsenden Kiefern bepflanzen. Aber später diente die Schorfheide der Obrigkeit ob Kaiser, Generalfeldmarschall oder Generalsekretär immer mehr als Jagdgebiet und wachsende Wildbestände schädigten wieder den Wald. In den Hoch-Zeiten der Jagd kamen 11 Stück Rotwild, die täglich 25 Kilogramm Grünmasse fressen, auf 100 Hektar Wald.

Auch waren damals große Waldstücke der Schorfheide eingezäunt, um das Wild im Jagdgebiet zu halten. In der heutigen Zeit stehen wieder zwei Stück Rotwild auf 100 Hektar und es besteht die Chance, die großen Kiefernbestände umzubauen, indem man sie mit Laubholz durchmischt. Der Umbau eines Hektar des Waldes, der wieder dem Land Brandenburg gehört, kostet in zehn Jahren 5000 Euro. Um die Pflege des Waldes zu finanzieren, werden so genannte Jagdstände verkauft, also für viel Geld der Abschuss von Hirschen in der Schorfheide an Jäger im In- und Ausland.

www.doellnsee.de


Deutschlands schönster Wanderweg

Im September dieses Jahres kam ganz offiziell der Märkische Landweg zu großer Ehre. Ihm wurde mit seinen 217 Kilometern Länge per Zertifikat vom Deutschen Wanderverband bestätigt, dass er ein Qualitätsweg ist, ordentlich beschildert und markiert. Was die Bewohner und die Touristen schon immer wussten, erfährt nun die Wanderwelt in ganz Deutschland. Der Märkische Landweg verbindet wunderschöne Landschaften im Nordosten Brandenburgs.

Dazu zählen die Feldberger Seen, der Naturpark Uckermärkische Seen, die Schorfheide und der Nationalpark unteres Odertal. Zusätzlich kürte das deutsche Wandermagazin den „Doppelten Boizenburger“ zum schönsten Wanderweg im Jahr 2009 in Deutschland. Besonders beeindruckend an dem 19 Kilometer langen Rundwanderweg sind eine etwa achthundert Jahre alte Eiche mit sieben Meter Durchmesser sowie viele weitere andere Eichenbäume mit breiten Kronen am Wegesrand.

Arno Schimmelpfennig ist hier in Boizenburg aufgewachsen. Er hat sich dem Tourismus verschrieben und unternimmt mit seinen Gästen Kulturreisen abseits der Touristenpfade. Er kennt nicht die Begründung für die Auszeichnung als schönsten Wanderweg, aber er weiß, was die Urlauber mögen und ihn selbst immer wieder fasziniert. “Es ist diese abwechslungsreiche Hügellandschaft, Waldstücke, Seen, eine offene Landschaft mit Wiesen und Feldern, alte Feldsteinkirchen in den Dörfern, die den Betrachter verzaubern. Hier ist Ruhe, keine auch nur entfernten Verkehrsgeräusche, der Wanderer kann Tiere hören.“

www.UckermarkSafari.de


Kock`t Zander Oma Fietze

Entlang des Märkischen Landweges gibt es auch Orte, wo man die Uckermark mit ihrer Ursprünglichkeit im wahrsten Sinne des Wortes schmecken kann wie in Ringenwalde im Gasthof „Zur Eisenbahn“. Gastwirt Kristian Hohlfeld hatte die Idee, regionale Küche wirklich authentisch auf den Tisch zu bringen. „Ich führte dazu ausgiebige Gespräche mit älteren Damen in unserem kleinen Ort und in umliegenden Dörfern, um zu erfahren, wie sie und ihre Omas zu Hause kochen.“

So stehen in seinem 1904 gegründeten Gasthof heute auf seiner Speisekarte solche Gerichte wie „Kadümzel“, ein Kaninchenfrikassee mit Backpflaumen und Rosinen oder „Kloppschinken med Surnudeln un Boddermelk“ oder „Kock’t Zander Oma Fietze Ord med Fliederbeersoß“. Gastwirt Hohlfeld hat auch einen jungen Koch, Mike Fritsch, der sich für diese Gerichte begeistert und nicht selten weit gereisten Gäste bewirtet. Bereits zum viertel Mal haben die Juroren von Deutschlands bekanntester Gourmet-Zeitschrift „Der Feinschmecker“ den Gasthof in der Uckermark ausgezeichnet. Auf die Frage, warum nicht auch andere Gastronomen diese Küche für sich entdecken, hat der Uckermärker Hohlfeld die lakonische Antwort: “Das macht viel Arbeit.“

www.gasthof-zur-eisenbahn.de


Die große Kleinstadt Neuruppin

Mit einer ausführlichen Darstellung seiner Heimatstadt Neuruppin begann Fontane seine literarischen „Wanderungen“, die zwischen 1862 und 1898 veröffentlicht wurden. Und er wäre sicher über die heutige Stadtführerin amüsiert, die die Touristen zu seinem Geburtshaus führt und über die ruinöse Spielleidenschaft seines Vaters räsoniert. Stolz wäre Fontane auf die Sanierung der Altstadt und auf den sorgfältig restaurierten Tempelgarten.

Hier steht der Apollo-Tempel, den Friedrich der Große, der sich damals mehrere Jahre als Kronprinz in der Stadt aufhielt, von seinem Freund Knobelsdorff errichten ließ. Reizvoll liegt die Stadt am Ruppiner See mit seinem Wahrzeichen, der Klosterkirche und einer Uferpromenade, die zum Spazieren gehen einlädt. Hier residiert das neu gebaute Resort Mark Brandenburg, das den Namen des berühmtesten Sohnes der Stadt trägt. Direktorin Martina Jeschke setzt in ihrem Vier-Sterne-Haus auf Klasse.

Das Seehotel Fontane verfügt über 139 komfortable und hochwertige Hotelzimmer, 80 Prozent der Zimmer haben einen Blick auf den Ruppiner See sowie einen fast 6000 Quadratmeter große Thermenlandschaft mit einer schwimmenden Seesauna. Nur wenige hundert Meter entfernt im historischen Stadtkern liegt das Hotel und Restaurant Up-Hus Idyll. In dem ältesten erhaltenen Fachwerkhaus ist ein Restaurant und kleines Hotel mit 14 Doppelzimmern eingezogen. An der Nähe von modernen und historischen Bauten hätte Fontane auch Gefallen gefunden.

www.seehotel-fontane.de
www.up-hus.de

 

Text und Fotos: Ronald Keusch
November 2009

 

Seitenanfang