Belgrad - Teil 2

Tor zwischen Asien und Europa

Eco-Camp auf früherem Müllplatz

Die frühere Hauptstadt von Jugoslawien und heute von Serbien hat mächtig zugelegt und zählt jetzt bereits zwei Millionen Einwohner. Unter dem dichten Autoverkehr, anwachsenden Müllbergen und der zunehmenden Verschmutzung von Save und Donau stöhnt die Umwelt.

Um dagegen zu steuern, gründeten sich in den letzten Jahren in Serbien mehrere Initiativen zum Umweltschutz. Nicht allein wenig gezügeltes Wirtschaften, sondern auch der 79 Tage währende Bombenkrieg der NATO gegen Chemiebetriebe, eine Düngemittelfabrik und Ölraffinerien schädigte nachhaltig die Umwelt.


Prominente wie der Tennisstar Novak Djokovic engagieren sich für ein „saubereres Serbien“. Bereits vor fünf Jahren entstand die ökologische Organisation SUPERNATURAL. Ihr Ziel ist es, immer mehr Menschen, angefangen in der Hauptstadt Belgrad, davon zu überzeugen, bewusster mit der Umwelt zu leben. Dazu haben sie sich in der Stadt ein öffentliches Projekt geschaffen.
Auf einer Halbinsel, die in den 60er Jahren als ein Müllplatz diente, haben die Mitglieder, ihre Sympathisanten und eine wachsende Zahl von Sponsoren, einen öffentlichen Park angelegt, Sträucher und Bäume angepflanzt. „Jedes Jahr veranstaltet SUPERNATURAL ein Festival, auf denen es Unterhaltung und Spaß gibt und auch mehr Umweltbewusstsein erzeugt wird“, erzählt Aktivistin Ivona Pjevac (Foto links). „Wir arbeiten mit der ökologischen Fakultät der Uni in Belgrad mit Schulklassen zusammen und wollen alles unterstützen, was der Natur nützt.“

www.supernaturalfest.com


Das Fahrrad als Entwicklungshilfe

Eine Entwicklungshilfe besonderer Art leistet in Belgrad der 37 jährige Holländer Ralph van der Zijden. Er kam vor drei Jahren in die Stadt, hat sich in sie verliebt und brachte gleich auch eine Geschäftsidee aus seinem Land der Fahrräder mit.


Gerade in den Sommermonaten ist es heiß in Belgrad. Da bietet es sich an, nicht zu Fuß, sondern per Rad entlang der Flüsse Donau und Save Belgrad zu entdecken.
Der Holländer (Foto links) vermietet unter der Überschrift „iBikeBelgrade“ moderne Fahräder an die Touristen. Die Route seiner Halbtages-Tour startet in der Altstadt. Sie führt weiter über die Bronkow Brücke in die Neustadt. Der meist gut asphaltierte Weg führt immer nahe am Ufer entlang. Nach entspannter Fahrt wird der Vorort Zemun mit seinen verwinkelten Gassen erreicht. Hier laden Kafanas und kleine Fischrestaurants dazu ein, bei einem romantischen Blick auf die Donau Fischsuppe zu löffeln und serbisches Bier zu trinken.


Hier am Ufer der Donau sind auch andere Markenzeichen des modernen Tourismus angekommen. Direkt an der Rad-Route am Donauufer nahe dem Park Prijateljstva ist vor 18 Monaten das schwimmende Hostel Arkabarka eröffnet worden (Foto links). Es verfügt über 24 Betten in Zwei- und Dreibettzimmern und ist mit einer rundherum breiten Terrasse auch partytauglich.
Insgesamt soll es in Belgrad jetzt bereits 68 Hostels geben und ihre Zahl wächst ständig. Mit diesem Zuwachs ähneln sich die Städte Belgrad und Berlin, aber nicht damit allein.

www.arkabarka.net
www.ibikebelgrade.com


Mit der Nightlife-Akademie zur Party

Wenn es Nacht wird in Belgrad und Ralph van der Zijden seine Fahrräder verstaut hat, lädt er die jüngeren Touristen zu seiner Nightlife-Akademie ein. Diese Tour durch die Party-Szene der Stadt wird zumeist von seinen Mitarbeiterinnen, er nennt sie Professorinnen der Akademie, geleitet.


In den frühen Morgenstunden können dann auch akademische Grade des Nachtlebens wie Bachelor oder Master verliehen werden. In der Nacht, in der ich mit Journalistenkollegen seine Akademie absolviere, übernimmt er selbst die Führung. Dann stellt er noch einmal klar, dass die Sache mit der Akademie natürlich Spaß sei. Als Holländer will er bei Deutschen auf Nummer sicher gehen.



Dieses Mal beginnt die Night-Life-Akademie auf dem Restaurant-Boot “Splav Brodic“ am Ufer der Save. Mit einer Mindestzahl von drei Personen werden die nächtlichen Unternehmen gestartet, die ebenso wie das geführte Fahrradfahren pro Person 15 Euro kosten. Zunehmend erhält der Party-Holländer per mail Anmeldungen.

Die Zahl der Low Cost Airlines nach Belgrad nimmt weiter zu. Er ist mit seinen Unternehmungen bisher zufrieden und meint, was gut für ihn sei und Spaß mache, sei auch gut für Serbien. Bis jetzt gelte immer noch die Marke „Abenteuer“ Serbien, meint Ralph und prophezeit: “In fünf Jahren ist Belgrad wieder ein gleichberechtigter und angesagter Platz in Europa.“

Dann bricht unsere Gruppe auf, um ins BIGZ zu gelangen. Das bekannte mehrstöckige Partyhaus in der Nähe des Messegeländes von Belgrad ist in einem ehemaligen Druckereigebäude eingerichtet. Die Empfehlung von Ralph, sich unterwegs an einem Kiosk noch Büchsenbier zu kaufen, leuchtet ein. Im BIGZ wird an völlig überfüllten Bars das Bier nur in kleinen weißen Plastikbechern ausgeschenkt. Wer nicht unbedingt abgerissene Tempel der Technomusik mag, kann sich von Ralphs Akademikern auch in Jazzlokale führen lassen mit den beziehungsreichen Namen Lekoanica (Wartesaal) und Piticitja (kleiner Vogel) Doch dafür bleibt in dieser Nacht keine Zeit mehr.

www.nightlifeacademy.com


Der Koch, der Zähne zieht

An Restaurants mit historischen Geschichten, an Gourmet- Treffs wie an Fastfood-Ketten oder an Kafanas herrscht in Belgrad kein Mangel. Da drängen sich Vergleiche mit Berlin auf, wo scheinbar täglich drei Lokale zumachen und sechs Lokale wieder neu eröffnen.



Vielleicht nur in Belgrad denkbar ist das kleine Restaurant „usta do usta - Mouth to mouth“ in der Parisker Straße 3 in der Altstadt, direkt unter der Belgrader Festung gelegen. Es ist in einem Wohnhaus Paterre in einer Drei-Zimmerwohnung untergebracht und gekocht wird in der Mini-Wohnküche (siehe Foto oben).


„Der Name bedeutet soviel wie Mund zu Mund-Propaganda. Sie soll zunehmend von unseren Gästen kommen, die unser Restaurant weiterempfehlen“, erzählt der 33jährige Georg Miketic (Foto links).
Der studierte Zahnarzt hatte die Geschäftsidee und betreibt mit Freunden seit November 2011 das Lokal in der Wohnung. Während er am Tage in einer Zahnarztpraxis den Bohrer in der Hand hält, hantiert Hobby-Koch Georg abends in seiner Restaurantküche mit Kochtöpfen. Seine Spezialität ist Pasta mit Auberginen und die gesamte mediterrane Küche. Als tägliche Speisekarte dient im Wohnzimmer eine Schiefertafel. Ob er in Zukunft in der selbst finanzierter Praxis Zähne zieht oder nur noch Pasta kocht, weiß Georg Miketic nicht. Er gibt noch einen dringenden Wunsch mit auf den Weg. Wenn das Essen geschmeckt hat - und er hat wirklich köstlich gekocht - dann soll ich es weitersagen. Und Montag ist Ruhetag.


Autor und Fotos: Ronald Keusch, Mai 2012


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