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Kulturpolitische Thesen

 

... des Bezirksstadtrates Dr. Michail Nelken zur KulturTour Pankow des Staatsekretär André Schmitz am 01.09.2010

Basis und Humus der Kulturhauptstadt Berlin - kommunale Kultur- und Bildungsförderung in den Bezirken

1. Kommunale Kultur in den Bezirken bildet die Basis für die internationale Ausstrahlungskraft Berlins als Stadt von Kunst und Kultur. Sie schafft den Humus, auf dem Kreativität und Kunstproduktion aller Genres und Niveaus in der Kulturhauptstadt gedeihen.
Sie ist zugleich Katalysator für die Entwicklung von Rezeptionsbedarf und -fähigkeit von Kunst und Kultur in der Stadtgesellschaft.

Die bezirkliche Kunst- und Kulturförderung ist damit eine tragende Säule der kulturell geistigen, der wirtschaftlichen und sozialen Qualität Berlins.

 

2. Die Berliner Politik geht nachlässig und kulturvergessen mit diesem Potenzial um. Der seit Jahren anhaltende Abbau bezirklicher Kulturangebote ist nicht gestoppt. Das derzeitige Finanzierungssystem im Land beinhaltet eine Mechanik des Abbaus und der Nivellierung der bezirklichen Kulturangebote auf niedrigstem Niveau.

Es nötigt durch eine systematische Unterfinanzierung der „Pflichtaufgaben“ die Bezirke zum Raubbau an den „freiwilligen“ Leistungen für Kunst-, Kultur- und Bildungsförderung. Das System KLR-basierten Produktsummenbudgets hat die Politik ihrer Entscheidungsverantwortung für die Standards und die Qualität der Kultur- und Kunstförderung in den Bezirken entfremdet.

 

3. Ein politisches Umdenken, ein radikal verändertes Zuweisungssystem ist - trotz der Diskussion der letzten Monate - nicht in Sicht. Die Politik sollte für die bezirkliche Kultur- und Bildungsangebote Standards bestimmen und Gestaltungsspielräume für eine differenzierte kommunale Kulturpolitik eröffnen.

Die Berliner Bezirke sind nicht gleich. Sie brauchen deshalb den unterschiedlichen Bedarfen angepasste Angebote für Kultur und Bildung. Statt der „Wertausgleich“ genannten zwischenbezirklichen Umverteilung mit Niveau senkender Wirkung ist eine bedarfsgerechte Förderung zu etablieren.

 

4. Die Empfehlungen der verschiedenen Expertenkommissionen - ob zur Entwicklung von Volkshochschulen und Musikschulen oder der Stadtbibliotheken - harren ihrer Umsetzung. Landes- und Bezirkspolitik sollten diese Aufgaben ressortübergreifend endlich gemeinsam in Angriff zu nehmen.

 

5. In Pankow sind die Budget und die Angebotspalette der bezirklichen Kunst-, Kultur- und Bildungsangebote seit 2001 fast halbiert worden, obgleich die Bezirkspolitik in dieser Zeit immer wieder große Anstrengungen unternommen hat, um die Auswirkungen der Unterfinanzierung zu begrenzen.

Minderzuweisungen des Landes für die Kulturetats wurden durch Umverteilungsentscheidungen abgefedert. Angesichts der fortdauernden Unterfinanzierung in vielen Bereichen ist bei allem Engagement der Bezirkspolitiker für Kunst und Kultur die Fortführung solcher Umverteilungsleistungen auch in Pankow politisch umstritten.

 

6. Dem Budgetabbau wurde in Pankow mit einem umbau der Strukturen der Leistungserbringungen auf der Basis einer Kulturentwicklungsplanung entgegengewirkt, um die Angebotsqualität zu erhöhen und die schrumpfenden Ressourcen effektiver einzusetzen.

Neben dem Umbau der Stadtbibliothek durch Konzentration auf lagegünstige, leistungsfähige und moderne Standorte, der Konzentration der Musikschulangebote bei Sicherung der herausragenden Qualität war insbesondere die Schaffung leistungsfähiger, attraktiver kooperativer Standorte mit Angeboten unterschiedlicher Fachbereiche ein wichtiger Schritt zur Sicherung von kommunaler Kultur auf einem anerkannt hohen Niveau.

 

7. Der fehlende Fachkräftenachwuchs wächst sich zu einem langfristigen Problem der Qualitätssicherung bezirklicher Kulturarbeit aus. Die minimierten Budgets kann man mit dem entsprechenden politischen Willen kurzfristig wieder verstärken. Das erforderliche qualifizierte Fachpersonal auszubilden und heranzuführen, bedarf einiger Zeit.

 

8. Freischaffende Künstler und Institutionen der freien Kulturszene schaffen einen Großteil des bezirklichen Kunst- und Kulturleben.

Die bezirkliche Kulturarbeit stützt und befruchtet die freie Kultur- und Kunstproduktion. Die Förderung dieser durch die Bereitstellung von professionell betreuter bezirkseigener Infrastruktur ist nicht nur effizient hinsichtlich einer reichhaltigen Kunstproduktion, sondern befördert deren Kreativität und Innovationskraft.

Die Budgets für die Förderung von kleineren Projekten freier Künstlerinnen und Künstler sind auf Landes- und Bezirksebene wieder auszubauen.

Im Wechselspiel mit den bezirklichen infrastrukturangeboten ermöglichte dies eine vielfältige und lebendige Kunstproduktion mit einem relativ bescheidenen Mitteleinsatz.

 

9. Die Immobilienpolitik des Landes Berlin ist dahin gehend zu ändern, dass es den Bezirken unbürokratisch möglich wird, freie Kunst- und Kulturproduktion durch die Bereitstellung von landeseigenen Produktionsräumen effektiv und nachhaltig zu fördern.

Geförderte und geschützte Freiräume für die freie Kultur- und Kunstproduktion und kulturelle Bildungsangebote stellen eine nachhaltige Zukunftsinvestition für Berlin dar.

 

10. Bezirkliche Kunst- und Kulturangebote können einen wesentlichen Beitrag der sozialen und kulturellen integration der Stadtgesellschaft leisten. Dazu sind sie niedrigschwellig und in jeder Hinsicht barrierefrei zu offerieren.

Bezirkliche Kunst- und Kulturarbeit ist nicht länger als „freiwillige Zusatzleistung“ anzusehen. Kommunale Kultur ist Pflicht - wenn Berlin sich als attraktive, lebenswerte und kulturvolle Metropole täglich neu erschaffen will.

Dr. Michail Nelken, Bezirkstadtrat für Kultur, Wirtschaft und Stadtentwicklung
Pankow von Berlin

 

 

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